Jedermanntherapie #2

Mit einer Therapie zum Erfolg
Im Interview mit Jedermanntherapie

Die Sonne schien, die Luft war frisch und der Weg nach Husum nicht zu weit. Am 30.04.24 traf ich mich erneut mit Husums Rockband Nr. 1 zum Interview.

Bevor wir es uns in ihrem Proberaum gemütlich machen konnten, wurde zuerst alles für eine kurze Bandprobe vorbereitet. Bei dieser war es für mich besonders spannend den Schaffungsprozess eines Songs miterleben zu dürfen. Paul (33), Benzos (39), Timo (32), Daniel (46), René (36) und Marius (35) waren gecatcht von einer neuen Idee, aber unsere Zeit war begrenzt.


Wir brauchen mehr Bass

In den letzten 2 Jahren hat sich bei der Band Jedermanntherapie so einiges getan. Ziemlich schnell kamen wir auf ihre letzte große bandinterne Veränderung zu sprechen. Vielen wird aufgefallen sein, dass sich die Besetzung geändert hat. Danny hat letztes Jahr im Sommer die Band verlassen. Hierbei handelte es sich nicht um bandinterne Meinungsverschiedenheiten oder zwischenmenschliche Konflikte, sondern Dannys Beruf- und Privatleben forderten immer mehr Aufmerksamkeit und es war Zeit, sich neue Prioritäten zu setzen. „Seine Gründe zu gehen, waren für uns vollkommen nachvollziehbar“, unterstützt Daniel Dannys Entscheidung. Trotz allem herrscht eine kurze Betroffenheit das Gespräch, denn Dannys Austritt war für sie alle sowohl ein menschlicher, als auch musikalischer Verlust. Benzos meint dazu: „Eine Trennung ist nie einfach.“ René blickt in die Runde und gibt offen zu: „Mir hat es den Boden unter den Füßen weggerissen. Danny und ich – wir waren eine Einheit. Wir haben uns blind verstanden. Ich muss ehrlich gestehen, ich war auch kurz davor, die Band zu verlassen. Ich hatte das Gefühl, jetzt geht JTP kaputt.“ Es war also an der Zeit, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wie geht es weiter? Für René war irgendwann klar, dass er Dannys Platz am Schlagzeug einnehmen wird. „Das war das erste Instrument, das ich gelernt habe. Und ich habe Bock darauf, Schlagzeug zu spielen. Ich hatte den Eindruck, es ist einfacher, einen neuen Bassisten zu finden, als einen neuen Schlagzeuger, der alle Songs neu lernen muss“, erzählt er weiter. René ist mit den Schlagzeugparts bereits vorher schon vertraut gewesen und hatte deshalb keine Probleme, das Instrument zu wechseln. Doch wer übernimmt den Bass? Die Suche nach einem neuen Bassisten erwies sich als nicht allzu einfach. Nachdem sie mehrere Bewerber zum Vorspielen getroffen, aber abgelehnt hatten, nahmen sie selbst Kontakt zu einem Bassisten auf, der ihnen vor einiger Zeit positiv aufgefallen war: Timo. Timo spielte vorher bei Wrapped in Carpets. „Als die Anfrage kam, war ich mir nicht sicher, ob ich in diese Band und zu dieser Musik passe“, erinnert sich Timo. Er lächelt und erinnert sich weiter: „Nach 2 Monaten bekam ich mit, dass die Jungs immer noch einen Bassisten suchen. Das fand ich schade. Also dachte ich mir, ich kann es ja mal versuchen.“ „Wir taten dir also leid“, unterbricht Daniel ihn neckend. Timo sah in dieser Chance die Möglichkeit, sich selbst musikalisch weiter zu entwickeln. Die herzliche Begrüßung und der familiäre Umgang weckten in ihm den Gedanken, dass sich daraus auch eine coole Freundschaft entwickeln könnte. Und das tut es. Nach nur wenigen gemeinsamen Monaten ist zu merken, dass Timo bereits ein fester Bestandteil der Band ist und alle auch musikalisch mit ihm mehr als zufrieden sind. Wir haben also einen neuen Bassisten, der frischen Wind mitbringt und einen Schlagzeuger, der seinen Style mit dem von Danny vereint.


Therapie führt zum Erfolg

Den ersten Gig in neuer Besetzung hatten sie Anfang des Jahres im Rider’s Café in Lübeck. „Ich habe mich mit den Jungs gefühlt wie ein kleiner Rockstar“, erzählt Timo mit strahlenden Augen. Zwar befinden sie sich noch in der Findungsphase, aber für die Band fühlt es sich an, als würden sie „schon immer zusammen Musik machen“, findet Marius. Da muss Daniel grinsen und meint: „Er ist wie der verlorene Sohn, der wieder zurück gekehrt ist.“ Wir können auf jeden Fall gespannt sein auf all die kommenden Auftritte, die noch folgen werden.

Für viele war der letzte Auftritt der Band ein großes Highlight: „Die Sitzung“. Ein eintägiges Festival, eigens organisiert von Jedermanntherapie. Die Idee dazu hatte Benzos. Mir wird erklärt, dass der Gedanke hinter der „Sitzung“ ein simpler und doch sehr wichtiger war: gemeinsame Musik für den guten Zweck. Insgesamt fünf Bands erspielten am 20.04. in der Koogshalle in Reußenköge zusammen mit den Tombola-Erlösen 1111,11€, die an das Wilhelminen Hospiz in Niebüll überreicht wurden. Während der Organisation stellten sich Paul, Benzos, Timo, Daniel, René und Marius die Frage „Wofür steht Jedermanntherapie?“. Paul ist der Ansicht: „Es ist gerade heute umso wichtiger, Liebe, Mitgefühl, Respekt und Zusammenhalt zu kultivieren, um das, was kommt, auf eine positive Art in die richtigen Bahnen zu lenken. Wir wollen mit unserem Ausdruck Kraft spenden. Und das von ganzem Herzen.“ Mit ihren Texten, aber auch mit ihrem Sein sprechen sie viele Menschen an. Sie hoffen, dass sie mit ihren Songs auch Menschen erreichen, „die auf der Kippe stehen oder keinen sozialen Anhang finden können und in sich selbst Stärke finden möchten“. „Wir versuchen die Musik als verbindendes Element zu verstehen. Unabhängig von jeder Politik, den Mensch als Mensch zu sehen. Wir haben das Gefühl, dass die Welt sich immer mehr abgrenzt und dadurch auch Konflikte entstehen“, gibt Daniel ernst zu verstehen. Deshalb haben sie „Die Sitzung“ als Bühne genutzt, um dem Ganzen eine Stimme zu geben und etwas Gutes zu bewirken. Letztendlich war das Festival ein großer Erfolg. Das Publikum war begeistert und auch die vielen Sponsoren des Abends haben bereits ihre weitere Unterstützung angeboten. Benzos weiß dies sehr zu schätzen, denn er findet, dass solch eine Unterstützung keine Selbstverständlichkeit ist und dafür ist er sehr dankbar. Marius nickt und fügt hinzu: „Das bestätigt, dass man etwas richtig macht.“


Odyssee

Vor Kurzem hat die Band ihr neues Musikvideo zu „Odyssee“ herausgebracht. Um was geht es in dem Song? Paul und Daniel versuchen zu erklären, dass wir Menschen von unseren eigenen Gedanken gesteuert werden. Wir werden beeinflusst von unseren Gedankenmustern, die wir seit unserer Kindheit kennen, bis wir aus diesem Kreislauf ausbrechen. „Du bist quasi eine Marionette deiner selbst. Und der Song soll ausdrücken – lös dich davon! Schaffe es, aus diesen Zwängen rauszukommen.“ Der Videodreh war für die Jungs harte Arbeit. Dieses Mal wollten sie in ihrem Video nicht nur den Song zeigen, sondern auch eine Geschichte erzählen. So kam es, dass Paul und Marius aufwendig geschminkt und verkleidet wurden und eine wichtige Rolle in diesem Stück hatten, während die anderen sich auf ihre Instrumente konzentrieren konnten. Die ganzen Anstrengungen haben dennoch viel Spaß gemacht. Neugierig? Über diesen Link kommst du zum Video:
JedermannTheraPie – Odyssee (Offizielles Musikvideo 2024)

Neben dem Video kam „Odyssee“ auch als alleinstehende neue Single raus. Auch hier wurde viel Arbeit, Zeit und Liebe zum Detail hineingesteckt. „Bei den Aufnahmen haben wir den Song komplett überarbeitet“, sagt René. „Wir waren nie so richtig zufrieden mit dem Sound. Der Aufbau, mehr Dynamik, mehr Bass, da passte das Klavier plötzlich nicht mehr rein“, zählt Daniel auf. Doch am Ende wurde der Song so gemischt, dass keine Veränderungswünsche mehr nötig waren. Tolles Ding!


Single oder Album

Für die nahe Zukunft ist bereits der nächste Song inkl. Musikvideo geplant: „Von dir zum Sein“. Hierbei geht es um das eigene Ego, den eigenen Verstand; um das Allumfassende, warum der Mensch so ist, wie er ist. Neben diesem Song haben sie noch viele weitere in petto, die aufgenommen werden könnten. Die Entscheidung ist noch nicht ganz gefallen, ob es alle paar Monate eine neue Single oder ein anschließendes Album geben wird. Auch Vinylplatten haben ihren Reiz, bis Timo lachend in den Raum wirft: „Wir machen einfach ein Tape.“

Neben neuen Songs, die bereits stehen oder noch im Arbeitsprozess stecken, erhoffen sich die Jungs auf vielen Bühnen stehen zu können. Inzwischen hat sich auch eine Zielgruppe herauskristallisiert. Ihr Publikum scheint hauptsächlich aus 30-50 Jährigen zu bestehen. Timo und Paul glauben: „Das sind Menschen, die wirklich zuhören. Die auch die Message verstehen und dann auch was für sich mitnehmen. Menschen, die bereits an sich selber arbeiten.“ Sie merken aber auch selbst, wie sie sich verändern. Sie therapieren sich gegenseitig; wachsen zusammen. René meinte mal: „Wenn man zusammensteht und eng zusammenrückt, kann man alles schaffen. Denn wenn alle zusammen nach vorne schauen, kommt der Erfolg von selbst. Verbunden, werden auch die Schwachen mächtig.“

Die Jungs machen auf jeden Fall Eindruck. So kommt es auch schonmal vor, dass der eine oder andere privat von Fremden angesprochen wird. Sei es nun beim Friseur, im Fitnessstudio oder im Supermarkt. Benzos haut direkt eine Geschichte dazu raus: „Da kam eine Frau an `Oh, du bist doch in der Rockband Jedermanntherapie. Deine Stimme ist so toll´ und machte ein Selfie mit mir.“ Paul sieht mich nachdenklich an und meint: „Angesprochen zu werden ist sowas wie eine Wertschätzung an das, was man tut. Aber trotzdem ist es mir unangenehm. Es ist schön, aber unangenehm.“


Herzensprojekt JTP

Paul, Benzos, Timo, Daniel, René und Marius – sie sind nicht nur Freunde, Brüder, Familie und Partner; sie sind Jedermanntherapie! Dass ihnen Werte wie gegenseitiges Vertrauen, Wertschätzung und Respekt wichtig sind, merkt man immer wieder. Sie sitzen mir als Einheit gegenüber, ärgern, aber unterstützen sich auch gegenseitig. Sie lachen mich an und geben Kund, was ihnen die Band bedeutet. Paul: „Dieses zusammen unterwegs zu sein, macht mega Spaß. Mich selber in einer gewissen Kreativität ausleben zu können, das ist für mich sehr viel wert. Das bereichert mich und meine Persönlichkeit.“ Benzos: „Mit einigen unserer Texte kann ich mich selbst therapieren. Das ist mir wichtig.“ Timo: „Ich finde es toll, dass bei Bandproben jeder zu jedem Instrument etwas sagen und beisteuern darf. Finde es toll, dass Jedermanntherapie sich in den Jahren immer treu geblieben ist.“ Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie noch ganz am Anfang ihrer Kariere stehen. „Wir sind Rohdiamanten“, findet Marius. Was sie brauchen ist der letzte Schritt auf dem Sprungbrett. Mit diesem Schritt ist viel Zeit verbunden. Zeit, die jeder einzelne von ihnen für die Band opfert. „Und Zeit ist das Kostbarste, was wir haben“, philosophiert Paul.

Alle sechs sind von Grund auf verschiedene Persönlichkeiten, die trotzdem verstehen, in welche Richtung es gemeinsam gehen soll. Berühmt werden, ist der Traum, dem sie nachjagen. Es entsteht eine Diskussion darüber, was es bedeutet, im Musikbusiness Fuß zu fassen. Sich musikalisch verbiegen lassen? Auf keinen Fall! „Wir wollen so sein, wie wir sind und wir wollen die Mucke machen, die wir wollen“, stellt René klar. „Mein Wunsch wäre ein größerer Blick auf die Kunst und Kultur in der Musik und weniger auf den kommerziellen Teil. Es ist kein Geheimnis – in der Musik wirst du berühmt, wenn du dich gut verkaufen lässt. Und dafür musst du Erwartungen anderer erfüllen, die du selbst vielleicht gar nicht willst“, fügt Daniel hinzu. Und das ist die große Frage: Wie weit willst du dich für den Erfolg verbiegen (lassen)? Wie weit wirst du gehen, um diesen Erfolg zu haben? Was, wenn es nur diesen Weg zum Ruhm gibt? Für die Jungs steht fest: „Dann wollen wir lieber nicht berühmt sein.“ Gemeinsam wird darüber diskutiert, was man im Musikbusiness verändern könnte. Für Marius steht sofort fest: „Weg mit den Knebelverträgen!“ „Du stellst dich gegen diesen Strom an Erwartungen. Das ist das, wo Veränderung beginnt“, überlegt Paul. Es kann sein, dass die Band Werte vermittelt, die im Musikbusiness keinen Erfolg haben werden, sondern vielmehr Gegenwind erwarten. „Deshalb verbuche ich für mich, alles was wir erreichen und schaffen, als geil“, schlussfolgert Benzos. Ein kurzer Moment der Stille, dann setzt Timo das Schlusswort: „Und wenn das alles nichts wird, können wir immer noch auf dem Jahrmarkt spielen!“

Ihr habt das Herz am richtigen Fleck, Jungs!
Ich freue mich auf viele weitere gemeinsame schöne Momente vor und abseits der Bühne mit euch!


Das Interview wurde am 30.04.24 in Husum geführt.

Kontakt
E-Mail: jedermanntherapie@gmail.com
Homepage: www.jedermanntherapie.de
Facebook: Jedermanntherapie
Instagram: JedermannTheraPie
Spotify: JedermannTheraPie
Youtube: JedermannTheraPie JTP