Appendix

Musikalische Bauschmerzen
Im Interview mit Appendix

Das Wort `Appendix´ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie `Anhang´. Zu Deutsch ist es der Wurmfortsatz – ein in der Regel bis zehn Zentimeter langes Anhängsel des Blinddarms. Der Wurmfortsatz ist anfällig für Entzündungen und wird fälschlicherweise oft mit der Blinddarmentzündung verwechselt. Aber was hat das alles mit Musik zu tun? – Wie kann sich eine Band übersetzt `Wurmfortsatz´ nennen? Bei strahlender Sonne und frischer Brise haben es mir die vier Jungs aus Rendsburg bei einem Interview verraten.

Die Würmer
Diesen Wurmfortsatz bilden Sänger und Bassist Jakob (18), erster Gitarrist Fabius (15), zweiter Gitarrist Meister Lee (15) und Schlagzeuger Asmus (15).

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(von links nach rechts: Jakob, Asmus, Fabius und Meister Lee)

Jakob und Fabius sind Brüder und wurden in eine musikalische Familie hineingeboren. „Unser Vater leitet eine Kulturakademie in Rendsburg und spielt Bratsche; unsere Mutter hat musikalische Früherziehung gemacht und gibt Unterricht. So kam es, dass wir uns ein Instrument aussuchen durften“, erzählt Jakob. „Es gibt Bilder, da war ich noch ganz klein, da habe ich auf irgendwelchen Töpfen herumgetrommelt. Letztendlich hat mich wohl aber mein größerer Bruder dazu gebracht ein Instrument zu spielen, weil er selber Gitarre spielt“, berichtet Asmus als Nächster. Lee hat vor sechs Jahren mit dem Gitarre spielen angefangen. Wer oder was seine Inspiration dazu war, diesen musikalischen Weg einzuschlagen, weiß er nicht mehr. Vielleicht war es einfach nur der Spaß an der Freude. Dafür kann er mir erzählen, wie er zu „Meister Lee“ wurde. „Ich dachte mir, Musiker haben oft Künstlernamen und dann kam mir die Idee `Meister´. Und das passte einfach“, erinnert er sich amüsiert. Laut seinen Bandkollegen sei er auf positive Art verrückt und mache manchmal seltsame Dinge, aber dafür würden sie ihn lieben.

Wenn aus Mandarinen ein Wurmfortsatz wird
Fabius und Lee waren auf der gleichen Grundschule. Bei einem Vorspiel in der Rendsburger Musikschule haben sie sich wiedergetroffen und angefangen zusammen zu jammen. Asmus und Lee gehen auf die gleiche Schule wie Jakob, hatten aber nie wirklich Kontakt zu ihm. Jakob zeigt auf seinen Bruder, der ihm gegenüber sitzt und schmunzelt: „Den da kenne ich, weil ich den manchmal zuhause sehe und die anderen zwei habe ich über unser gemeinsames Jammen kennengelernt.“ Ende 2014 haben sie beschlossen eine Band zu gründen. Nach einiger Zeit im Proberaum, der sich im Keller der Musikschule befindet, kam die Lust auf mehr als nur Proben – sie wollten vor Publikum auftreten. Aber wie sollten sie sich nennen? Jakob liebt Mandarinen und dachte an „The Tangerines“. Doch dieser Name wurde bald durch „Appendix“ ersetzt. „So ein Name muss einen als Band repräsentieren. Ich habe mich gefragt, was uns ausmacht. Wir hängen unnötig rum und wenn wir was machen, dann bereiten wir den Leuten Bauchschmerzen. Und da passte eben der Wurmfortsatz ganz gut“, erklärt Jakob mit einem Grinsen im Gesicht. Nach einiger Zeit fällt ihm stolz eine weitere Hintergrundgeschichte zu ihrem Bandnamen ein. Eine Geschichte, die nicht jede Band erzählen kann! „Es gibt eine 70er/80er-Jahre Punkband aus Finnland, die auch so heißt und wir dachten `Oh nein, was machen wir jetzt? Müssen wir uns wieder umbenennen, können wir den Namen behalten?´ Unsere Mutter hat dann erzählt, dass unsere Oma aus Finnland kommt und als Au-pair-Mädchen nach Deutschland gekommen ist und sich in unseren Opa verliebt hat. Deshalb sind wir Viertel-Finnen. Der Großcousin unserer Mutter – Jari – kommt auch aus Finnland und war tatsächlich eines der Gründungsmitglieder der Originalband Appendix. Vielleicht kann man mit dem was regeln wegen dem Namen. Das Musikmachen liegt jedenfalls im Blut.“

Ihr Musikstil lässt sich nur schwer definieren. Es ist eine Mischung aus Vielem. So sagen sie selbst, es handele sich um Punk/Grunge. Asmus bringt Metal-Elemente, Fabius Punk-Elemente, Lee Rock `n´ Roll-Elemente und Jakob Hardcore-Elemente mit ein. Dabei spielen Bands wie Nirvana, Scratch Acid, The Pixies, The Breeders und Talking Heads eine große Rolle. „Und Billy Ray Cyrus. Wir sind große Countryfans“, fügt Fabius hinzu. Um die Songtexte kümmert sich Jakob. Er sagt: „Ich habe mit dem Schreiben angefangen, als ich ca. 14 Jahre alt war. Da habe ich deutsche Rap-Texte geschrieben und irgendwann, als sich dann mein Musikgeschmack ein bisschen verschoben hat, habe ich mich auf Englisch probiert, das klappte ganz gut und es macht mir bis jetzt viel Spaß!“ Themen wie Religion, Liebe und Parasitismus, aber auch andere Dinge, die ihn beschäftigen, fließen in die Texte ein.

In immer mehr Bäuchen
An ihren ersten Auftritt denken sie mit einem breiten Grinsen zurück. „Der war grandios!“ Es fand ein Tag der offenen Tür in der Musikschule statt. Bei gutem Wetter durften sie draußen spielen. Viele Freunde waren gekommen und „ein paar Eltern haben etwas komisch geguckt, als sie unsere Musik gehört haben“. Jakob lacht und erinnert sich: „Wir haben direkt einen Vertrag angedreht bekommen von einem ominösen Mann. Der hat irgendwelche Musik- und Textverläge. Der bietet sich selbst auf seinen Websites als Synchronsprecher an und dann haben wir ihn mal gefragt, wen er denn schon so unter Vertrag hätte – er meinte, wir wären dann seine erste Band. Da sind wir dann aber nicht drauf eingegangen.“ Gerne denken sie ebenfalls an ihren Auftritt beim Talented Wettbewerb 2015 zurück, auch wenn die Aufregung davor „schrecklich“ war. „Der Laden war voll, die Leute sind schon richtig abgegangen und wir saßen hinter Bühne, um uns vorzubereiten“, berichtet Fabius. Aufregung – wenn sie mit befreundeten Bands (z.B. Gordon Shumway) oder vor Freunden spielen, ist diese weniger zu spüren. Bevor es dann aber auf die Bühne geht wünschen sie sich gegenseitig etwas. „Und was“, lautet meine Frage. „Irgendwas – Jeder sagt `Ich wünsche euch was´ und dann geht’s los“, lacht Asmus zu mir rüber. Pannen wünschen sie sich jedenfalls nicht – denn davon hatten sie schon so einige. „Bei unserem dritten Auftritt hat Jakob das Kabel von seinem Bass rausgerissen, nachdem er seinen Verstärker lautgedreht hatte“, fällt es Fabius sofort ein. Er selbst hat aber auch schon Akkorde vergessen und ein ganz anderes Lied angestimmt – auch gut, zwei Lieder gleichzeitig. „An Fabius mag ich, dass er mich immer anguckt und anfängt zu grinsen, wenn sich jemand verspielt hat“, sagt Asmus belustigt. Jakob zuckt lächelnd mit den Achseln und meint: „Dafür sind wir ja da, um peinliche Sachen zu machen.“ „Oder einfach den anderen angucken und sagen `Er war’s´“, fügt Lee hinzu. Peinlichkeiten sind schnell vergessen und die Vorfreude auf den nächsten Auftritt groß. Denn sie wollen sich in immer mehr Bäuchen bemerkbar machen – musikalische Bauchschmerzen verbreiten!

Behalten oder entfernen
Noch vor ihrem ersten Auftritt haben die Vier eine EP für Freunde erstellt. „Wir haben ein Diktiergerät in die Mitte unseres Proberaumes gestellt und einfach gespielt. Die Qualität war aber nicht so gut“, erzählt Fabius. 30 CDs haben sie selbst gebrannt und die Auskleidung der Hülle selbst gelayoutet. „Die Musik kam aber gut an und wir haben tatsächlich alle verkauft“, staunt Jakob. Zurzeit experimentieren sie mit neuen Mikrofonen und wollen dieses Jahr noch etwas Richtiges aufnehmen. Fans können sich also schon darauf freuen! In der Gruppe herrscht eine harmonische Stimmung und jeder ist für den anderen ein guter Freund und wichtiges Bandmitglied. So sagt Jakob über Asmus: „Wenn ich ein neues Lied mit den Jungs spielen möchte, dann sage ich zu Asmus `Zauber was´ und dann spielt er was und das passt immer. Das ist ganz cool!“ Er schaut zu Fabius, überlegt und lacht: „Und Fabius? Der ist halt da.“ Jeder beherrscht sein Instrument und Jakob gibt zusätzlich mit seinen bunten Haaren der ganzen Gruppe mehr Farbe. Grün, Grün-Gelb, Pink, Rot und Blau waren auf seinem Kopf schon vertreten. Er selbst sagt: „Ich finde das ganz witzig!“

Für die Zukunft hoffen sie aufs „Reich und berühmt werden!“ Und dann? „Dann werden wir die Weltherrschaft an uns reißen“, rufen sie mir selbstbewusst entgegen. Nach der Schule ist keine Bandauflösung geplant, sondern immer mehr Auftritte, denn das Musikmachen macht einfach großen Spaß! Im Juni kommt ihr Auftritt auf der Kieler Woche. „Gutes Wetter wäre echt schön, wenn man sich das hier so anguckt“, sagt Jakob und guckt in den blauen Himmel über uns. Sie freuen sich auf die vielen Leute und die gute Stimmung und wir freuen uns nicht nur auf ihre Musik, sondern auch auf die bunten Haare von Jakob – mit Blau würde er sich farblich gut anpassen!

Ursprünglich dachte man, der Wurmfortsatz sei funktionslos. Man fand jedoch heraus, dass im Falle einer Durchfallerkrankung nützliche Darmbakterien in der Nische der Appendix überleben können. Nach einer Durchfallerkrankung können diese sehr schnell den Dickdarm erneut besiedeln und dabei schädliche Keime verdrängen – also doch nützlich dieser Wurmfortsatz. So auch diese Band. Körperlich ist es egal, ob man sich den Wurmfortsatz entfernen lässt oder ihn behält. Doch diesen Wurmfortsatz (Band Appendix) sollten wir unbedingt behalten! Mit musikalischen Bauchschmerzen lässt es sich gut leben!

Für eure Zukunft wünsche ich euch, dass ihr euch als „Wurmfortsatz“ durchsetzt und ganz vielen Leuten musikalische Bauchschmerzen bereitet! Bleibt wie ihr seid und vor allem immer kreativ.

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Das Interview wurde am 12. Mai 2016 in Rendsburg geführt.

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