Max Giesinger

“Dem eigenen Rad seinen Dreh geben”
Im Interview mit Max Giesinger
(Text: Verena Christ)

Locker und gelassen, mit der Gitarre in der Hand, betritt Newcomer Max Giesinger (27 Jahre) den kleinen Konferenzraum. Ein freundliches Lächeln macht sich in seinem Gesicht breit – muss wohl an den vielen Schokoriegeln liegen, die vor uns auf dem Tisch stehen.

Max Giesinger – bekannt für sein neues Album „Der Junge, der rennt“ inkl. seiner aktuellen Single „80 Millionen“.

Max wird uns Kieler im Juni zur Kieler Woche 2016 besuchen kommen. Daher hat das R.SH Funkhaus Kiel zu einem Interview mit Max Giesinger eingeladen. Gekommen waren Kim Hase vom Magazin „KIELerLEBEN“ und ich aus dem Team von Ki-Wo.De. Mit ein klein wenig Aufregung im Bauch stellten wir unsere Fragen.

Ki-Wo.De: Hättest du damit gerechnet, dass dein Album oder speziell dein Song „80 Millionen“ so gut ankommt?
Max: Man wünscht sich das natürlich! Also ich weiß noch, dass ich im September dagesessen bin und mir so überlegt habe, wie ich die Platte angehe. Was wird die erste Single? Mir war klar, nachdem ich „80 Millionen“ geschrieben habe, dass das die erste Single sein muss. Es war ja auch tatsächlich der letzte Track, den ich für die Platte geschrieben habe. Aber dass der jetzt überall in Deutschland läuft, das habe ich mir nicht ausgemalt. Deswegen muss ich mich immer kneifen, weil das gerade ein Traum ist, der in Erfüllung geht. Ich bin vor einigen Tagen durch den Osten gefahren und habe in einer halben Stunde 3x den Song auf verschiedenen Radiosendern gehört. Das war schon so ein Gänsehautmoment! Denn als Newcomer hat man es auch nicht immer leicht. Nach ca. 50 Jahren Pop-Geschichte kannst du kaum noch was Neues erfinden. Du musst deinem eigenen Rad seinen eigenen Dreh geben.

KIELerLEBEN: Hast du denn eine bestimmte Person im Kopf, wenn du den Song singst?
Max (schmunzelt): Eventuell, aber man weiß es nicht. Ich verweise da immer auf mein Album. Da habe ich ja so meine letzten 2-3 Jahre verarbeitet. Einfach reinhören und dann bekommt man am meisten mit, was bei mir so privat geht. Das Album hat viele autobiografische Züge.

KIELerLEBEN: Würdest du dann sagen, dass du so emotional bist, wie das in den Songs ist; dass du jemand bist, bei dem die Emotionen sehr präsent sind?
Max: Also als Künstler bist du das ja eh. Da bist du nah am Wasser gebaut. Wenn ich dann einen Song höre, der mich richtig flasht, dann könnte ich schon auch ein Tränchen verdrücken. Aber ich bin jetzt nicht der typische Romantiker, der ein Tretboot mietet und dann ans andere Ufer fährt und dann gibt es da ein Feuerwerk und man sitzt da so mit seinem Girl. Das kann ich nicht so. Ich packe das lieber in meine Songs rein und drücke mich dadurch aus.

Die Kieler Woche ist natürlich für viele Musiker ein Traum-Festival – jeder würde gerne einmal auf einer der großen Bühnen stehen, um vor einem großen Publikum zu performen. Bei der Vorstellung, er stünde bald vor dieser Menschenmenge mit zusätzlichem Blick auf die Hörn, fangen seine Augen an zu leuchten. „Boah! So viele Leute? Geil! Ich bin ja eh mehr so ein Meer- und Wasserfan. Deswegen finde ich es ja auch in Hamburg so geil. Ich komme aus dem Nordschwarzwald – da gibt es das nicht.“

Ki-Wo.De: Wie geht es dir damit zu wissen, dass du im Rahmen der Kieler Woche bald vor Tausenden von Menschen stehen und deine Songs spielen wirst?
Max: Ich freue mich unfassbar auf die Kieler Woche! Grade auch, weil das eines der Top-Festivals in Deutschland ist. Alle so `Max, du musst mal auf der Kieler Woche spielen – das ist der Hammer!´ und jetzt geht da auf jeden Fall ein Traum in Erfüllung. Ich habe da richtig Bock drauf, weil man im Norden immer gute Gigs spielen kann. Hier wird Live-Musik richtig zu schätzen gewusst. Speziell bei Kiel denke ich ans Urlaubmachen und das mit dem Musikmachen zu kombinieren ist der Hammer!

In seiner Single „80 Millionen“ geht es um die vielen Zufälle des Lebens und dass sich durch diese irgendwo zwei Menschen treffen: „So weit gekommen und so viel gesehen, so viel passiert, dass wir nicht verstehen, ich weiß es nicht, doch ich frag‘ es mich schon, wie hast du mich gefunden? Einer von 80 Millionen.“

KIELerLEBEN: Wie stehst du denn selber zu Zufällen? Hast du das Gefühl, die gibt es?
Max: Hm, gute Frage. Ich glaube, wenn ich mein Leben Revue passieren lasse, dass ich doch eher ans Schicksal glaube. Da sind so viele Sachen zusammengekommen. Die ganzen Entscheidungen, die ich gefällt habe – jeder Schritt, der auf den anderen folgte. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass das nicht Schicksal gewesen sein muss. Wenn ich paar Leute nicht kennen würde, wäre das nie so gekommen. Dann wäre ich wahrscheinlich für immer in Karlsruhe geblieben. Hätte ich damals nicht diesen einen Schritt getan, wäre das alles ganz anders gekommen. Sicherlich würde ich auch Musik machen, da bin ich mir sicher, aber ich würde ein ganz anderes Umfeld haben. Jede größere oder kleinere Entscheidung, wenn ich mich da anders entschieden hätte, würde die Platte jetzt nicht so klingen oder ich hätte ganz andere Geschichten zu erzählen gehabt.

Ki-Wo.De: Wer hat dich denn zu dem Schritt gebracht, Gitarre zu spielen?
Max: Meine Mutti hat mich für zehn Stunden zum Gitarrenschnupperkurs geschickt. Nach der 4. Stunde wollte ich schon gar nicht mehr hin, weil ich das voll doof fand. Irgendwann hat der Gitarrenlehrer dann „Country Roads“ vorgespielt und da dachte ich `Wow, das Lied ist richtig geil, das musst du spielen lernen!´ Ich habe mich dann zuhause damit hingesetzt und habe das dann irgendwie hinbekommen. Ich bekam Lob von meinem Gitarrenlehrer und war dann natürlich motiviert. Es folgte die erste Band – `Deadly Punks´ – und mit einem Kumpel hatte ich dann meine ersten kleinen Auftritte. Ich war so aufgeregt! Ich habe mich gar nicht getraut, vor Leuten zu reden. Singen war nicht das Problem, aber vor Leuten zu reden, das hat ein bisschen länger gedauert. Da war ich 15 oder so, aber Gitarre spiele ich jetzt seit 17 Jahren.

R.SH Funkhaus Kiel: Hast du denn ein Mittel gegen Lampenfieber?
Max: Ich trinke jedenfalls keinen Alkohol vor dem Auftritt!
Max hat seinen Bandkollegen Lars zum Interview mitgebracht. Dieser antwortet nach einer kurzen Denkpause für Max, weil dieser während des Interviews regelmäßig zu den Schokoriegeln greift,: „Süßigkeiten.“
Max schmunzelt und fährt fort: Ich glaube, Lampenfieber gehört dazu. Wenn das ganz weg ist, dann ist es, glaube ich, auch irgendwann langweilig. Man will ja dieses Gefühl haben `Was passiert jetzt?´ Vor unseren Auftritten kommen wir als Band dann noch mal zusammen, liegen uns in den Armen und sagen dann noch einen Spruch wie `Hakuna Matata´ oder (singt) `YMCA´ (lacht).

Max reiste nach seinem Abitur nach Australien und Neuseeland, wo er als Straßenmusiker tätig war. „Da habe ich mich so richtig entdeckt, was da so in mir schlummert und was da so aus mir rauskommt.“

R.SH Funkhaus Kiel: Hattest du dann überhaupt eine Alternative zur Musik im Kopf oder gab’s die nicht?
Max: Ich habe eine Banklehre angefangen, aber nach zwei Wochen habe ich das beendet. Ich habe mich dort wie das letzte Alien gefühlt. Die Mitarbeiter haben mich angeguckt und gemeint `Max, wir machen das schon seit 10-20 Jahren und niemand hat bisher so traurig aus der Wäsche geguckt wie du, vegetiert so vor sich hin und verzählt sich immer´. Ich habe ja die ganze Zeit an Musik gedacht. Irgendwann kam so eine Metalband rein und ich stand da in meinem Anzug. Ich kannte die von Bandcontesten, weil ich gegen die angetreten bin und immer verloren habe. Mir war das so peinlich, dass ich mich unter dem Schalter versteckt habe. Ich hatte ja wegen der Lehre meinen Traum aufgegeben. Aber das war dann der Schlüsselmoment, wo ich dann gesagt habe `Jo, Adios Amigos – jetzt mache ich wieder Musik´. Es gab nie eine andere Option. Ich habe da schon immer einen ganz tiefen Glauben gehabt, dass das funktionieren wird. So lange du das mit Liebe machst, kannst du das. Es war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Ich stand früher als Kind immer vor der Bühne, habe den Bands zugejubelt und wollte das auch irgendwann machen.

R.SH Funkhaus Kiel: Wen hast du denn als Kind gehört?
Max: So mit zehn fand ich die Spice Girls super. Spice Girls, System of a Dawn, Pink Floyd, Dire Straits, Deep Purple und ich war ein riesen Queen-Fan. Ich wollte immer so klingen wie Freddie Mercury. Der hat aber viel zu hoch gesungen. Hätte ich so weitergesungen, hätte ich mir meine Stimme zerfetzt, weil ich immer nur gepresst habe. Mit ca. 22 habe ich dann meine eigene künstlerische Stimme entdeckt.

KIELerLEBEN: Was willst du mit deiner Musik bewegen? Was willst du den Menschen mitgeben?
Max: Also als Musiker, auch wenn ich noch sehr jung bin, habe ich eine relativ große Lebenserfahrung. Ich versuche Sachen, die ich gelernt habe, die ich für mich herausgefunden habe, in meinen Songs zu verarbeiten. Im Endeffekt mache ich das ja, um damit abzuschließen. Und wenn Leute da etwas rausziehen und mitnehmen, dann ist das eine super schöne Sache. Wenn da jemand kommt und sagt `Für mich ist das DER Track und Max hat daraus das und das gelernt, dann kann ich das vielleicht auch auf mich anwenden´, dann freue ich mich natürlich. Es gibt einen weiblichen Fan, die wegen ihrer Krankheit im Krankenhaus lag. Einer meiner Songs – „Du kannst das“ – hat ihr dabei geholfen, von der Krankheit wegzukommen und jetzt hat sie sich diesen Songtitel auf ihre Haut tätowieren lassen. Du denkst so `Krass, das sind Worte, die dir mal aus dem Kopf gekommen sind!´. Das ist schon eine Ansage. Man kann also schon einiges verändern. Wenn man das kann, dann ist das was Schönes.

Das Ende rückt näher, die letzten Schokoriegel werden vernascht und eine letzte Frage haben wir noch.

Ki-Wo.De: Hast du vorab noch einen Gruß an die Kieler Woche-Fans?
Max: Ey Leute, ich freue mich unfassbar, dass das endlich klappt und ich auf der Kieler Woche spiele, was ja ein Traumfestival ist und jeder da mal spielen will. Kommt alle vorbei, zieht euch das Album rein, damit ihr alle mitsingen könnt und dann sehen wir uns im Juni!

Ki-Wo.De: Wir bedanken uns ganz herzlich für deine Zeit, Max, dass du uns jede Frage so ausführlich beantwortet hast und auch, dass du dir am Ende Zeit für gemeinsame Fotos genommen hast! Wir freuen uns schon auf deinen Auftritt auf der Kieler Woche und wünschen dir auf deinem weiteren Lebensweg viele ereignisreiche Momente, die dich zum Songs schreiben inspirieren!