Sergeant Dystopia

Der Sergeant stand plötzlich da
Im Interview mit Sergeant Dystopia

Bei letzten warmen Sonnenstrahlen scheint den Jungs von Sergeant Dystopia und mir die Kiellinie als perfekter Ort zum Reden. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen auf einem der Stege, machen es uns so bequem wie möglich und beginnen.

Vier Gruppenführer
Ein Sergeant kümmert sich in der Regel um einen Trupp aus mehreren Personen; in dieser Band vertritt jeder die Gruppenführer-Position – alle kümmern sich um den jeweils anderen. Sänger und Gitarrist Steven (23), Gitarrist Freddy (25), Bassist Erik (25) und Schlagzeuger Tim (30) hat die Musik zusammengebracht und zu guten Freunden gemacht.

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(von links nach rechts: Freddy, Steven, Tim und Erik)

Steven beginnt: „Als Kind habe ich zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt bekommen. Die habe ich aber erstmal in die Ecke gestellt; das war nicht die richtige Zeit. Mit 15 habe ich die dann wieder rausgekramt und versucht alleine anzufangen. Später habe ich mir einen Lehrer geholt. Ich habe dann angefangen Texte zu schrieben und dachte mir, wenn ich die schon schreibe, dann will ich die auch singen. So hat sich das bei mir entwickelt.“

Freddy holt Luft, denn wie er zur Gitarre kam, bringt einen längeren Lebensweg mit sich: „Meine Eltern haben gesagt `Wir machen gerne Musik und wir wollen, dass du das auch machst´ – dann habe ich die Blockflöte in die Hand gedrückt gekriegt und in der Grundschule mit dem Blockflötenunterricht begonnen. Dann bin ich übergesprungen und habe gesagt `Ich will doch lieber Geige lernen´ – das habe ich vier Jahre lang gemacht. In der Schule haben sich dann ein paar Leute zusammengefunden, die eine Band gründen wollten und es fehlte ein Instrument – der Bass. Also bin ich von Geige auf Bass umgesprungen. Nebenher habe ich dann auch Gitarre gelernt, weil mein Basslehrer die Idee dazu hatte.“

„Ich habe viele Sachen ausprobiert und war für nichts so richtig geeignet. Mein Bruder hat mich immer wieder getriezt, dass ich doch was mache, weil er Gitarre spielte und sang. Irgendwann habe ich im Schulunterricht einen Bass in die Hand gedrückt bekommen und dachte `Da kriege ich halbwegs was hin. Das ist gar nicht so schlecht; da muss man ja nur an einen Bund greifen.´ Das fand ich gut und hatte dann auch direkt Unterricht in der Schule. Das war ganz cool und dann habe ich meine erste Schülerband gefunden“, erinnert sich Erik lachend.

Gelassen erzählt Tim: „Der Klassiker – ich habe irgendwann angefangen auf Kochtöpfen rum zu trommeln. Später habe ich mir irgendwelche Cola-Dosen geschnappt und auf Stühlen angefangen zum zu kloppen und dann hat sich meine erste Schülerband zusammengefunden. Und jetzt trommel ich quasi auf größeren `Kochtöpfen´.“

Was man so im Internet findet
Begonnen hat alles mit Steven und dem ehemaligen Gitarristen Julius, die sich beide aus der Schule kennen. Es kam zu dem Gedanken, man könne sich auf die Suche nach zwei weiteren Bandmitgliedern machen. „Fündig wurden wir dann über Ebay-Kleinanzeigen“, grinst Steven mich an. So kam es, dass sich ihnen zuerst Tim und dann Erik anschloss – und es passte sofort. Seit September 2013 gibt es sie nun schon. Mit ihrem Bandnamen ließen sich die Vier jedoch Zeit. „Der war anfangs auch noch nicht notwendig“, meint Steven erst und fährt dann fort: „Sergeant Dystopia – Dystopie ist eine Romangattung, in der die Gesellschaft zu Grunde geht und ein bisschen sehen wir das auch so, dass unsere Gesellschaft bisschen zu Grunde geht. Gesellschaftskritik. Und der Sergeant kam dann nur, um das Ganze zu personifizieren.“ „Der Sergeant stand plötzlich einfach da“, ergänzt Erik lächelnd. Seit Kurzem ist nun Freddy als Gitarrist in der Band, weil Julius aus zeitlichen Gründen ausgestiegen ist. Freddy und Tim kennen sich von früher und alle stimmen zu, dass bei ihm von vorne bis hinten alles passt und er sich gut in die Band einfügt.

Mit ihren Einflüssen aus Indie- und Punkrock versuchen sie dem Burnout der Gesellschaft vorzubeugen. Um sich besser ausdrücken zu können und das Publikum leichter zum Denken an zu regen, schreibt Steven die Texte auf Deutsch. Er erklärt: „Dadurch, dass ich viel mehr Wörter kenne, kann ich auch andere Sachen sagen.“ Seinen ersten Song hat er allerdings auf Englisch geschrieben erinnert er sich lachend und alle stimmen mit ein. Musikalische Einflüsse kommen von Bands wie Matula, Adolar, Captain Planet, Love A, Mikrokosmos23, den Foo Fighters und Blocparty.

Von wegen still gestanden
Mit ihrer Musik wollen Steven, Freddy, Erik und Tim nicht auf der Stelle still stehen, sondern Menschen erreichen. Ihren ersten Auftritt hatten sie beim NDR. Erik erinnert sich schmunzelnd: „Das war der erste Auftritt – direkt ohne Publikum.“ Aber schon bald sollten sie in der Kieler Schaubude auftreten. „Das war so eine Sneak-Geschichte. Wir durften kaum jemandem von unseren Freunden davon erzählen und dafür Werbung machen. Es standen dann hauptsächlich nur fremde Leute im Publikum. Ich für meinen Teil war todesaufgeregt“, berichtet Steven. Erik schaut grinsend in die Ferne und sagt: „Ich war auch aufgeregt, aber dadurch dass ich die Leute nicht kannte, nahm mir das den Druck, weil ich wusste, von denen kennt uns auch keiner.“ Wenn es um ihren bisher schönsten Auftritt geht, können sich die Jungs nicht entscheiden. „Ich finde jeden unserer Auftritte sehr schön“, meint Tim freudig. Dennoch erinnern sie sich gerne an das „Festival am kleinen Strand“, weil das Ambiente drum herum ganz anders war, und ihr Weihnachtskonzert in einer alten Tischlereihalle. „Unsere Familien und Freunde waren da – es war mehr ein großes Familienfest -, es gab Glühwein und es war sehr kalt dort“, berichtet Erik und Tim fügt hinzu: „Wir sind in Winterjacken aufgetreten.“

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Es haben erst drei Gigs stattgefunden, bei denen Freddy mit auf der Bühne stand. Zwischen dem Wechsel von Julius und Freddy standen die anderen zeitweise nur zu Dritt auf der Bühne. „Das war tatsächlich komisch und hat sich ungewöhnlich angefühlt“, finden sie. Mit Freddy war der erste Auftritt mit einem neuen Gefühl verbunden. Innerhalb von ca. zwei Wochen musste er zehn Songs lernen. Er selbst sagt zum ersten Auftritt mit Sergeant Dystopia: „Ich habe im Kopf nur darauf geachtet, was kommt als nächstes, was muss ich spielen? Inzwischen kann ich die Songs spielen, ohne dass ich viel nachdenken muss. Jetzt ist es so, dass ich mich auch mal auf meine Bandkollegen oder das Publikum konzentrieren kann und das macht einfach viel mehr Spaß.“ Von viel Spaß kann in den letzten zehn Minuten vor dem Auftritt nicht die Rede sein. Alle vier verraten, dass sie total verplant sind und sich hin und wieder gegenseitig suchen müssen. „Hast du Erik gesehen? – Wo ist Steven?“, fragen sie sich dann. „Verplant sein ist unser Ritual“, witzelt Erik in die Runde. Und natürlich ist auch schonmal etwas Peinliches passiert – „Bei unserer Aufnahme beim NDR habe ich einen Kameramann umgelaufen. Das tut mir auch sehr leid“, sagt Steven mit dem Gesicht zu Boden gesengt. „Aber so richtig in die Trommel gefallen – sag ich mal – ist noch keiner. Also zumindest nicht in meiner Anwesenheit“, beendet Freddy das Thema.

Hat sich bei den Jungs denn etwas verändert, seitdem sie auf der Bühne stehen? „Wir sind natürlich Freunde geworden. Anfangs waren die alle echt doof“, sagt Tim ironisch. „Ich sehe öfters unsere Bandsticker irgendwo in der Stadt kleben und freue mich, wenn das anderen auch auffällt“, macht Steven weiter. Und dann sind da noch die Fans, die jedes Mal treu vor der Bühne stehen: Sophie und Steffi basteln extra Plakate und jubeln in der ersten Reihe den Jungs laut zu. Tim meint dazu: „Ich glaube, wenn die nicht kommen, dann fehlt irgendwas.“ „Wir haben aber auch schon unseren ersten Hater. Beim vergangenen Bootshafensommer hat einer aus dem Publikum geschriehen, das sei kein Punk-Rock, was wir da machen“, erzählt Erik amüsiert und ergänzt lachend: „Wenn die ersten kommen, die einen scheiße finden, dann hat man echt was erreicht.“

Aufstieg zum nächsten Rang
Sergeant Dystopia sehen sich noch als kleine Kieler Band und sind keineswegs abgehoben. Sie gehen privat selber gerne auf Konzerte und erfreuen sich auch an den kleinen Momenten, die plötzlich zu einer Besonderheit werden. So erzählt Tim: „Ich höre viel Musik von Bands, mit denen ich nach dem Auftritt noch reden und ein Bier trinken kann. An weltberühmte Bands kommt man in den großen Hallen ja nicht ran.“ Zusammen mit Erik erlebte Steven einen besonderen Fan-Moment beim Abschiedskonzert von Findus. „Da gab es so einen Moment, wo die Band aufhörte zu spielen und das ganze Publikum hat angefangen, den Song aufzugreifen. Ich glaube, das war `Erdbebenwarnung´. Das war hammer“, berichten beide sichtlich begeistert.

Vor etwas längerer Zeit haben die Jungs erste Audioaufnahmen gemacht. An einem Wochenende hatten sie Besuch in ihrem Proberaum und haben sich Take für Take nach vorne gearbeitet, um am Ende ein professionelles Endprodukt zu haben. Alle verbinden damit eine coole, lustige und interessante Zeit und wenig Stress. Eine richtige EP möchten sie natürlich auch irgendwann herausbringen, aber das braucht seine Zeit. Wir können uns dennoch schon darauf freuen! Und dann sagen sie: „Es wäre cool, mal ein Feature mit einer anderen Band zu machen.“ Also, wenn jemand von euch da draußen Bock hat, kann er gerne Bescheid sagen.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft. „Weltherrschaft“, flüstert Steven mir zu. Wenn das geschafft ist, sollen ganz viele Konzerte folgen, mit denen sie noch mehr Menschen ansprechen wollen. „Wir würden auch gerne mal aus Kiel rauskommen wollen“, sagt Erik standfest. Mit Stevens Zuverlässigkeit, Freddys Gelassenheit, Eriks Organisationstalent und Tims Direktheit schaffen sie es bestimmt! Bevor wir das Interview endgültig beenden möchten sie noch ein paar letzte Worte loswerden: Vielen Dank an alle Leute, die uns mögen! Danke für den Support! Danke an die Menschen, denen unsere Musik entweder richtig gut gefällt oder die es echt gut vortäuschen können. Das ist sehr cool!

So wie ein Sergeant plötzlich neben einem steht, so standen auch die Jungs von Sergeant Dystopia plötzlich mit ihrem deutschsprachigen Indie-und Punkrock auf der Matte. Sie wollen mit jedem Auftritt einen Rang aufsteigen, dabei aber nie vergessen, dass es dabei um die Musik und nicht um den Welterfolg geht.

Für eure Zukunft wünsche ich euch sinnbildlich einen Sergeant, der euch nach vorne treibt und klar macht, dass ihr alles schaffen könnt, was ihr euch vornehmt! Bleibt eurem Stil treu und steht niemals still.

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Das Interview wurde am 30. Oktober 2016 in Kiel geführt.

Kontakt
E-Mail: sgt.dystopia@gmail.com
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Youtube: Sergeant Dystopia
Bandcamp: Sgt. Dystopia
Twitter: Sergeant Dystopia (@SgtDystopia)